Sonntag, 5. März 2017

Das Bessere ist der Feind des Guten - Aktivitäten in der Central Kalahari (4.-7.02.2017)

Sonenaufgang in der Central Kalahari
Ereignisse und Bedingungen eines Reiseverlaufs sind im Detail nicht vorhersehbar. Im Rückblick unserer Botswana-Reise sagen wir uns, dass die Bewertung dieser Etappe deutlich positiver ausgefallen wäre, wenn sie den Auftakt eines ansteigenden Spannungsbogens gebildet hätte. Es kam anders und daher dominieren nach Aufenthalten im Lebala Camp (1) und im Kanana Camp (2) auf der Schlussetappe Erfahrungen einer Mischung ungünstiger Konstellationen:
  • Camp(3) und Guides präsentieren sich nicht in Bestform. 
  • Die Regenzeit fällt in dieser Saison ungewöhnlich nass aus(.4) 
  • Gesetzliche Bedingungen schränken Game Drives ein.(5) 
  • Unsere Fotoausbeute ist unter diesen Bedingungen enttäuschend.
  • Die soziale Mischung unserer Gruppe bereitet nur wenig Freude. 
  • Das Tau Pan Camp bietet lediglich 2 Aktivitäten an: Game Drives (jeweils am Morgen und am Nachmittag) sowie einen Bushman Walk. Gäste mit mindestens 3 Übernachtungen haben die Option einer Tagestour zum vermeintlich besonders tierreichen Deception Valley. Matt, unser Guide, rät jedoch dringend ab. Die Tour sei lang und bei diesen Bedingungen schwierig. Vermutlich würden wir mehrmals im Schlamm steckenbleiben. Vor Ort seien dann auch keine anderen Tiere zu sehen als in der Tau Pan. Gäste, mit denen er die Tour unternommen habe, seien regelmäßig sehr enttäuscht zurückgekehrt. Matt möchte offensichtlich die Tour vermeiden.
    Wir verzichten auf die Tagestour zum Deception Valley und fahren auf allen Game Drives im riesigen Central Kalahari Game Reserve stets nur das gleiche überschaubare Areal der Tau Pan ab.
Fotogalerien von Wildbeobachtungen im Central Kalahari Game Reserve: Vögel der Kalahari - Säugetiere der Kalahari


Guides und Gruppe
Luftaufnahme Tau Pan Camp im Central Kalahari Game Reserve Unsere Guides im Tau Pan Camp sind Matt und Kustom. Matt ist kompetent und bleibt keine Antwort schuldig, aber er wirkt auf uns lustlos. Kustom begleitet uns als Tracker. Er gehört zur Ethnie der San und weiß alles über die Kalahari von seinem Vater. Kustom ist schüchtern und spricht wenig. Wenn er spricht, ist sein Englisch für uns schwer verständlich. Trotzdem erweist sich der von ihm geführte Bushman Walk (im Schlussteil dieses Posts beschrieben) als Höhepunkt im Tau Pan Camp. Kustom ist unser Held des Camps.
In den beiden nächsten Tagen bilden wir mit Anne und Robert, US-Amerikaner aus Florida, sowie einem französischen Paar eine Gruppe. Während Anne und Robert sehr umgänglich und stets gut gestimmt sind, zeigen die beiden Franzosen kein Interesse an Kommunikation. Nach Abreise der beiden Paare begleiten uns am letzten Nachmittag ein auf uns arrogant wirkendes dänisches und ein gebrechliches, älteres britsches Paar.


Morning Game Drive im Central Kalahari Game Reserve - Fotogalerie Morning Drive
Springböcke, Oryx-Antilopen und Strauße im Morgendunst
Wir führen einen Wecker mit und benötigen keinen Weck-Service. Matt besteht auf 'double check' und ruft um 5.00 Uhr an unserer Unterkunft den 'wake up call': "Knock! Knock!" Um 5:30 Uhr treffen sich Gäste und Guides im Zentralbereich, in dem Kaffee, Tee und Porridge vorbereitet sind. Um 6:00 Uhr brechen wir in der Dämmerung zum Morning Game Drive auf. In der Tau Pan halten sich am Morgen zahlreiche Strauße, Oryx-Antilopen und Springböcke auf, die wir von der 'Road' (tief verschlammte Sandpisten) meistens nur in größerer Entfernung beobachten. Weniger scheu sind Schabrackenschakale, die sich auf ihrer Suche nach Futter von einem Safarijeep nicht stören lassen.

Lilac-breasted Roller (Coracias caudatus,  Gabelracke) Auf Sandböden der Kalahari entaltet sich mit etwa 400 Arten eine bemerkenswerte und während der Regenzeit wuchernde und blühende Pflanzenvielfalt. Akazien, Dünen- und Wüstengräser bestimmen das dem Auge nur wenig Fixpunkte bietende Landschaftsbild.
Die flache Landschaftsformation ist zwar günstig für Wildbeobachtungen, diese empfinden wir jedoch aufgrund nur weniger Tierarten und deren permanenter Anwesenheit in meistens größerer Distanz als lediglich mäßig spannend: Säugetiere der Kalahari
Faszinierender ist für uns die Vielfalt der Vogelwelt im südlichen Afrika: Vögel der Kalahari





Kaffeepause beim Morning Drive - Gisela, Matt, Robert, Anne Gegen 9:00 Uhr unterbricht eine Kaffee-/Tee-Pause mit Getränken und kleinen Snacks den Morning Game Drive.
Um 11:30 Uhr kehren wir zurück zum Camp, in dem uns ein kalt-warmer Brunch in Buffetform erwartet, mit dem wir zur Lunchtime das Frühstück nicht nur nachholen, sondern dank Auswahl und Qualität der Speisen auch genießen. In der anschließenden Ruhephase gehen wir bis 16:00 Uhr eigenen Aktivitäten nach.








Evening Game Drive mit Sundowner im Central Kalahari Game Reserve - Fotogalerie Evening Drive
Löwenpärchen in der Central Kalahari Gegen 16:00 Uhr treffen sich Gäste und Guides zum 'High Tea' im Zentralgebäude, in dem Tee, Kaffee, Kuchen und kleine Snacks bereitstehen. 30 Minuten später starten wir zum Evening Game Drive, auf dem wir erneut schlammige Sandpisten abfahren, die wir vom Morning Game Drive kennen. In der Abenddämmerung beobachten wir mehr Wild als am Morgen. Auf einem unserer Evening Game Drives treffen wir in respektvoller Entfernung auf ein im Gras ruhendes Löwenpaar. Da Löwen territoriale Tiere sind, dürfte es sich um jene Löwen handeln, die nachts brüllend durch das Camp streichen.





K75_5636.jpg Um ca. 19:00 Uhr ist Sonnenuntergang, der selbst bei fehlendem Sonnenschein nicht ohne das tropentypische Sundowner-Ritual abläuft. Einen Sonnenuntergang erleben wir nur am Ankunftstag. Auf allen anderen Evening Game Drives ist kurz über lang 'Poncho Time' angesagt, weil wieder einmal Regen fällt. Gegen 19:30 Uhr kehren wir zurück zum Camp.








Sonnenuntergang am Tau Pan Camp Bevor um 20:00 Uhr das Dinner in Buffetform mit einer vielfältigen Auswahl stattfindet, treffen sich Gäste des Camps an der Bar zu einem Drink, der bei geeignetem Wetter auf der Terasse am Feuer eingenommen wird. Dieses Glück treffen wir am ersten Abend und möchten darauf mit einem Glas Sekt anstoßen. In der Bar finden wir keinen Sekt und fragen einen der Guides nach Sparkling Wine. An den nächsten Abenden ist die Bar mit gekühltem Sekt bestückt, aber das Wetter lädt zu keinem Aufenthalt auf der Terrasse ein.
Nachdem Gäste und Guides an der festlich gedeckten und dekorierten Tafel Platz genommen haben, wird das Dinner mit einer launigen gesprochenen oder gesungenen Ankündigung eröffnet. Am Buffet legen Mitarbeiter Speisen auf, deren Auswahl und Qualität uns an jedem Abend gefällt.




Bushman Walk in der Tau Pan - Fotogalerie Bushman Walk
Anfeuern nach San-Methode Ein Bushman Walk vermittelt Touristen traditionelle Lebensformen, traditionelles Wissen und traditionelle Techniken der San. Traditionelles Leben mussten San in der Gegenwart unter Repressionen unfreiwillig aufgeben. Über diesen ebenso traurigen wie empörenden Teil der Geschichte informiert der Bushman Walk jedoch nur in zarten Andeutungen, die lediglich informierte Gäste einzuordnen wissen. Aufgrund erwähnter Entwicklungen ist ein Bushman Walk mehr als nur Folklore. Veranstaltungen dieser Art, wie z.B auch sog. 'Lebende Museen' der San oder anderer Ethnien, wirken dem Untergang traditioneller Kultur entgegen. Aufhalten können sie den Untergang nicht.
Der Post Anmerkungen zur Kultur der San - Die Letzten der ältesten Kultur der Erde auf ihrem Weg zum Untergang greift die Thematik auf.


Frühstück vor dem Bushman Walk Wir können 30 Minuten länger schlafen, weil der Walk erst um 6:30 Uhr bei ausreichendem Tageslicht startet. Vor dem Walk treffen wir uns um 6:00 Uhr im Zentralgebäude zu einem Kaffee, den wir auf der Terrasse am Feuer einnehmen. Am Feuer werden Töpfe mit Porridge warmgehalten. Porridge findet heute keinen Zuspruch.








Bushman Walk mit Kustom Im Interesse der Sicherhheit sind unsere Guides in der Frühe die Route abgegangen. Vorsicht ist trotzdem ratsam. Kustom geht voraus. Gäste folgen im dichten Abstand in einer nach Körpergröße sortierten Reihe. Frauen in der Front. Matts geht (ohne Jagdgewehr) am Ende der Reihe. 








Kustom mit African Horned Cucumber (Horned Melon, Kiwano, Cucumis metuliferus, Horngurke) Zu Beginn des Bushman Walks lernen wir Pflanzen der Kalahari aus Sicht der San kennen. Wir erfahren, welche Pflanzen essbar sind (z.B. African Horned Cucumber, ein als Horngurke bezeichnetes Kürbisgewächs, Kalahari Melon, eine Wildform der Wassermelone, sowie eine wilde Bohnenart), welche Pflanzen bei bestimmten Beschwerden medizinisch nützlich sind, welche Pflanzen so giftig sind, dass aus ihnen Pfeilgift für die Jagd gewonnen werden kann, wie Pflanzen für praktische Zwecke genutzt werden, um z.B. Jagdwaffen, Sonnenhüte und Besen herzustellen oder Hütten abzudecken. Wissen und Fähigkeiten hat Kustom von seinem Vater gelernt. (Wer von uns kann schon behaupten, von seinem Vater das Leben gelernt zu haben? Ist es nicht eher so, dass wir alles anders und vor allem besser als unsere Väter machen wollen?)


Auspressen von Fruchtfleisch der Kalahari Water Tuber Während vermeintlich 'moderne Menschen' seit einigen Hundert Jahren nicht gezielt, aber in kaum zu vermeidender Konsequenz daran arbeiten, Grundlagen ihrer eigenen Existenz unwiderruflich zu zerstören, gelang der als 'primitiv' etikettierten Kultur der San über mehr als 10.000 Jahre eine erfolgreiche, naturverträgliche Anpassung an Lebensbedingungen der Kalahari, obwohl San traditionell keine Metallverarbeitung kennen und ausschließlich Naturprodukte nutzen. 'Moderne Kulturen' haben sich vermeintlich von Naturzuständen emanzipiert. Sie beschwören Rationalität und Wissenschaftlichkeit, feiern das Schisma von Natur und Kultur als 'Fortschritt' und geben technologische Entwicklungen als Beweis für Fortschritt aus. Dabei übersehen 'Moderne Menschen' gewöhnlich den latenten Rassismus ihres Ethnozentrismus und vergessen im Alltag, wie sehr sie von mehr oder weniger umfassenden Infrastruktur-Systemen substantiell abhängig sind. Unter Bedingungen der Kalahari könnten sie nur wenige Tage überleben. 

Kalahari Water Tuber (Raphionacme burkei, Sukkulentenart mit wasserhaltige Knollenwurzel)Kustom erklärt Sträucher und deren Bedeutung für SanKustom und Oryx-Hörnern (Digging Sticks)

Besonders beeindruckt uns die Trinkwassergewinnung aus der Kalahari Water Tuber, eine oberirdisch unscheinbare Sukkulentenart mit einer überdimensionalen Knollenwurzel, in der größere Mengen Wasser gespeichert sind. Traditionelle Hetzjagden der San können sich über mehrere Tage hinziehen. Auf der Jagd zu Fuß ist die Mitführung größerer Wasservorräte nicht möglich. Wenn Wasserstellen oder Brunnen außerhalb der Regenzeit unerreichbar sind, löschen die Jäger ihren Durst dank der Kalahari Water Tuber. Kustom demonstriert nicht nur, wie aus dem Fruchtfleisch der Knolle Trinkwasser gewonnen und aufgenommen wird, er zeigt uns auch ein Beispiel für naturverträgliche, nachhaltige Wirtschaft. Nach der Nutzung wird die Kalahari Water Tuber wieder an ihrem Platz eingesetzt und wächst weiter, so dass sie bei nächster Gelegenheit erneut als Trinkwasser-Reservoir zur Verfügung steht.

Kustom an San-Demonstrationshütte Der Bushman Walk führt zu einer im San-Stil errichteten Demonstrationshütte, die deutlich kleiner ist als reale San-Hütten. Am Objekt erklärt Kustom Bauweise und Nutzung, um schließlich anzumerken: "You call it hut, we call it house." 
Mobil lebende San kannten keine sozialen Hierarchien und horteten kein Eigentum. Die Hütte/das Haus war ein temporärer Lebensplatz, der je nach wechselnden Bedingungen verlassen oder aufgesucht wurde. Heimatgefühle i.S. emotionaler Ortsbezogenheit und Ansprüche an 'Gemütlichkeit' dürften in der traditionellen San-Kultur unbekannt sein. Diese für uns selbstverständlichen Emotionen entstanden erst allmählich mit einer vor ca. 12.000 Jahren einsetzenden Sesshaftigkeit von Menschen.



Anfeuern nach San-MethodeBau einer VogelfalleFeuerhölzer

Anfeuern nach San-Methode An der Demonstrationshütte zeigt uns Kustom den Bau einer Vogelfalle für den Fang von Trappenvögeln wie Kori Bustard und Northern Black Korhaan.
Höhepunkt des Walks ist das traditionelle Entfachen eines Feuers durch Reibung mit Hilfe von Feuerhölzern und Gräsern. Ehe die Arbeit beginnt, erklärt Kustom, wie schwer das Feuermachen ist. Ein San darf erst dann eine Frau heiraten, wenn er die Jagd und das Feuermachen beherrscht. Feuermachen erfordert Kraft, Ausdauer, Geschicklichkeit und hohe Konzentration. Feuermachen ist zugleich ein ritueller Zauber, der nur mit Hilfe von Geisterbeschwörungen und Flüchen in der Klick-Sprache der San gelingt, während der wir nicht sprechen oder lachen dürfen.
Kustom legt eine flache, aus weichem Holz bestehende Leiste auf die Erde und setzt von oben ein hartes Rundholz in eine Vertiefung des Weichholzes. Während Kustom das Rundholz zwischen seinen Händen reibt, flucht er laut. Kustom arbeitet hart. Schweiß fließt, aber die notwendige Htze entwickelt sich in der feuchten Umgebung nur langsam. Als endlich Qualm entsteht, hält Kustom ein trockenes Grasbüschel an das Feuerholz und bläst Luft in das Gras. Glut ist erkennbar. Wir applaudieren frenetisch. "Oh My God", kommentiert Anne das Erlebnis. Wir sind begeistert, tief beeindruckt, aber auch traurig gestimmt. Kustom danken wir herzlich für die erteilten Lektionen!
Mehr Informationen zur sozialen Situation der Ethnie der San vermittelt der Post: 'Anmerkungen zur Kultur der San - Die Letzten der ältesten Kultur der Erde auf ihrem Weg zum Untergang' (coming soon)

Anmerkungen
  1. Die Reise zum Lebala Camp und den Aufenthalt dokumentieren die Posts:
    Reise von Maun zum Lebala Camp in der Linyanti-Region
    "Mossis don't read Instructions" - Aktivitäten am Lebala Camp in der Linyanti-Region (27.02.-01.03.2017
  2. Die Reise zum Kanana Camp und den Aufenthalt dokumentieren die Posts:
    Flug von der Linyanti-Region zum Kanana Camp, ein Juwel im Okavango Delta
    Feels like paradise - Aktivitäten in der Kanana Concession, Okavango Delta (1.-4.03.2017)
  3. Die Aneise zum Tau Pan Camp beschreibt der Post: Abschied von Kanana - Flug vom Okavango Delta zum Tau Pan Camp in der Central Kalahari - Desert under Water
  4. Die Regenzeit 2016/17 zeigt in Botswana deutlich mehr Regentage und größere Niederschlagsmengen als üblich, wobei es entgegen der Regel im Süden mehr regnet als im Norden. Im Jahresvergleich fällt so viel Regen wie zuletzt vor 17 Jahren.
    Für die Wüste ist Regen ein Geschenk. Uns bereiten die täglichen Niederschläge während unseres 3-tägigen Aufenthaltes keine Freude. Regen taucht die Landschaft in ein suppiges graues Licht, verschlammt die Landschaft, gefährdet unsere technische Ausrüstung und sorgt für unangenehme Feuchtigkeit in Kleidung und Unterkunft.
  5. Das Tau Pan Camp liegt inmitten des Central Kalahari Game Reserve in einem nur kleinen Privatgelände. Im Unterschied zu unseren vorherigen Standorten in privaten Konzessionsgebieten dürfen Fahrzeuge in Nationalparks markierte Roads bei Game Drives nicht verlassen, weshalb wir Tiere meistens nur aus großer Entfernung beobachten oder im hohen Gras oft nur erahnen. 

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